How long is forever – ein Versuch über die Unendlichkeit
29-02-2016 / Sharon Welzel
If the doors of perception were cleansed everything would appear to man as it is, infinite.
William Blake
Die Frage nach dem für immer ist zwangsläufig mit der Frage nach der Unendlichkeit verbunden. Unser irdisches Dasein ist begrenzt und demnach endlich – und doch ist genau das unsere Unendlichkeit. Unser für immer reicht schließlich nur bis ans Ende unserer jeweiligen Tage, bis ans Ende unseres Bewusstseins – ein sehr subjektives für immer also. Darin kann „bis dass der Tod uns scheidet“ bedrohlich daher kommen oder romantisch als „you and me always and forever“ in dem schrecklich schönen Song von den Wannadies.
Wie schön – kein Ende in Sicht.
Die Idee für immer kann eine Last sein, wie ein katholischer Richterspruch oder aber eine Erlösung. Befreiend ist doch: Wer sich voll und ganz auf etwas einlässt, muss sich nicht ständig neu verorten. Diese Endgültigkeit, eigentlich eine wunderbare Sache, scheint allerdings schwer vereinbar, mit der Überzahl der Möglichkeiten, die uns ständig zur Verfügung stehen. Wir sehen uns stets konfrontiert mit multiplen Optionen und müssen diese in krankhafter Weise vergleichen, als ginge es um Leben und Tod, selbst wenn es nur um den Kauf eines elektrischen Rasierers geht. Bei ganz alltäglichen Entscheidungen tun sich immer neue Kombinationsmöglichkeiten auf und schicken uns auf einen nicht enden wollenden, strategischen (Google-)Trip. Wie bei einem Schachspiel, nur nicht so spannend.
Ein Spiel mit grauen Figuren wäre die Lösung – erlösendes grau wie ein Nebel in dem man sich verlieren kann.
Wie schön – kein Ende in Sicht.
Als Aldous Huxley sich 1952 auf einen Meskalintrip begibt, ist er vielleicht genau auf der Suche danach. Er will eine transzendentale Erfahrung, die Grenze überschreiten oder zumindest verwischen. Erstmal geschieht aber nicht das Erwartete. Er sieht keine Farben, hat keine starken Halluzinationen. Vielmehr sieht er die tiefere Bedeutung hinter den Dingen, er beginnt das Wunderbare in alltäglichsten Objekten zu sehen. Ein banales Blumenarrangement wird zum Gegenstand seiner Betrachtungen. Folgt man seinen Beschreibungen im Essay „The Doors of Perception“, wird klar, warum genau diese alltäglichen Dinge über Jahrhunderte Teil künstlerischer Auseinandersetzung waren.
Huxley beschreibt, dass jeder prinzipiell über das größtmögliche, sozusagen unendliche Bewusstsein verfügt. Jeder Mensch ist demnach in jedem Augenblick fähig, sich all dessen zu erinnern, was ihm je widerfahren ist, und alles wahrzunehmen, was irgendwo im Universum geschieht. Um nicht von all den größtenteils belanglosen Informationen überwältigt zu werden, treffen Gehirn und Nervensystem eine Auswahl – und da sind sie, die Doors of Perception. Huxley erkennt auch, dass die Bereitschaft zum Kontrollverlust ganz entscheidend ist für ein positives Rauscherlebnis. Die Bereitschaft sich zu verlieren und hinzugeben. Der Nebel als Meer, nicht als Bedrohung. Der Wasserschaden als Wolke, nicht als Schandfleck. Diese Wolke als Hölle. Diese Wolke als Himmel.
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Text zur Ausstellung How long is forever?
Claudia Apel & Ehsan Soheyli Rad
Island, Hamburg 2015