DIGESTING DOLLHOUSES

05-02-2024 / Helen Weber

DOLLHOUSES ﹣ The Swimmingpool war eine immersive Performance die am 13. & 14. Mai 2023 in Köln Riehl stattfand, initiiert von Lisa Klosterkötter und Signe Raunkjaer Holm, von und mit Hilma Bäckström, Flora Besenbäck, Jemima Rose Dean, Leonie Falke, Rubee Fegan, Ella Fleck, Rosanna Graf, Nora Hansen, Mia Hofner, Paulina Nolte, Isa Schieche, Miriam Stoney, My Anh Chi Trinh, Faun Vium und Benze C. Werner.

Im Kölner Stadtteil Riehl, am westlichen Ufer des Rheins, zwischen Riehler Aue, Niederländer Ufer und An der Schanz erstreckten sich die Spielstätten von der kollektiv entwickelten Performance DOLLHOUSES ﹣ The Swimmingpool. Das Publikum wurde von 15 Performer*innen durch verschiedene Szenen geführt und war eingeladen, sich auf dem Areal durch die inszenierten Momente zu bewegen, die zusammen eine Geschichte bildeten. DOLLHOUSES ﹣ The Swimmingpool griff die Vergangenheit des historischen Riehls als “Goldene Ecke Kölns” auf. Durch Performance, Installationen und imaginierte Reenactments von Szenen aus dem einst existierenden Vergnügungsparks wurde die Vorgeschichte Riehls als Ort der bunt flackernden Oberflächen, des Entertainments, der Gelüste und Freuden neu beleuchtet. Die Performance oszillierte zwischen Vergangenheit und fiktionaler Zukunft, zwischen Nähe und Distanz, Errungenschaft, Sehnsucht und unerreichbarer Ferne.

DOLLHOUSES ﹣ The Swimmingpool ist die zweite Ausgabe von dem fortlaufenden Performanceprojekt DOLLHOUSES, dessen erste Edition in Hamburg in 2021 stattfand. Jede Ausgabe von DOLLHOUSES wird von einem temporären Kollektiv entwickelt.

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DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel
DOLLHOUSES – The Swimmingpool, Köln 2023, Foto: Jakob Engel

 

Im Norden Kölns, die Sonne heiß auf mir und meinen Taschen. Cola to get ready, darüber: ein Himmel aus Blüten, that must be the famous Blütenregen. Nora eilt herbei, noch hat nichts begonnen, sie gibt mir die Autoschlüssel. Sie hat ihren Löffel dabei, zwischen den Bieren interessiert man sich für sie, sie, die sofort wieder verschwindet - gibt's hier was zu sehen? Mein Mund, halbinformiert: Ja; Die Maske, den Löffel selbst geschnitzt; Ja, Linde, genau; soft aber dicht, gut zu formen, langsam aussterbend; ein Pilz. Das Holz für Übungen. Weil ich Bäume liebe, kann ich dir sagen, dass wir unter Linden sitzen, sagt der
Urlauber, und yes, he’s right. Die Linden biegen sich im hellsten der vorhandenen Grüns, der weichen Farben. Greife mir ein handtellergroßes Blatt als Begleiterin.

Brushing my teeth while sitting at the opened Kofferraum of Nora's car; seems a good move to start sth, to arrive at a place or to leave it. Es ist normal, sich zwischen Wohnmobilen die Zähne zu putzen, vielleicht wohne ich ja hier. Finde den Eingang, ein Kiosk: Zwischen Süßigkeiten, Zeitschriften und Softdrinks sitzen drei und beobachten die Ankommenden. Schüchtern fragen sie nach ihren Tickets, sonst sind sie nie hier, kennen sie Nora? Die crowd checkt sich aus, let’s call it 3 generations. Sind Noras Eltern da? Ist das ihre Oma? Denke an Laure Provousts grandmother-Ding: she fed me two days ago, it was blueberries and raspberries from a huge glass bowl after sth had happened that was announced as a performance - I heard her saying this was a mess, but a mess makes sense and my grandma actually decides about everything, she tells me what to do.

Us, the intruders, are getting introduced by Nora and Nora. Hospitality meets hostility, this makes hospility or hostipality, but that sound like constipation. Mein steifer Körper nach 9 Stunden Zug trifft auf Noras Lächeln das einem Beißen gleicht. Und sie kaut Kaugummi, keeping the mouth busy - dass wir nun das Resort betreten, dort gewisse Regeln herrschen, an die sich zu halten empfohlen wird - don’t make me wait for you, drohendes smile. And ummmm, did I forget sth? Of course, wie sollte es auch sonst sein, smile. Sie könnte auch sagen I’m a bit over the top, but what is the top, this is an experience I’m giving to you, better be thankful. Dafür würde Nora sich nie entschuldigen. As if the audience was a free ranging Herde, that was just shortly gathered and set free again. And who’s telling me what to do now? says a Lady next to me. And yes, I do feel like on a cruise ship because this entertainer vibe of Nora brings me there, HAVE FUN is an imperative that I connect to luxury that camouflages itself as action.

Die Herde zerstreut sich und Nora radelt vorbei. Sie ist ein pöbelnder speedy Cowboy, dessen Breitbeinigkeit sich auch radfahrend manifestiert. Sie treibt Teile der Herde in eine Richtung, streut den Soundtrack von Strohballenlandschaften, dem imaginierten Wild West, zwischen den Spielplatz, die Wiesen, Bäume, Zirkuszelte und Hochhäuser. Grob crossed sie Nora am Boden. Sie haben nichts miteinander zu tun, bemerken sich nicht. Different time zones und Nora, die sich die Schuhe bindet, meidet den Blick der Betrachterin. Sie bereitet sich vor and guess what: sie wird dir nicht sagen, worauf. Sie ist ein Angebot, imagine sb singing: I can be your container, baby; and yes, she will sing later on.


Moving around like an island, floating with force. Schwimme von Insel zu Insel als Insel, wieder und wieder stranden bei Nora. Nora on her lunch break. Vielleicht kommt sie aus einem der Hochhäuser, but another business is keeping her busy, she’s busy on her phone, busy listening to a voice trying to explain itself. And there are poems and beer. Nora can’t move, only eat and listen, she’s in chains and the chains are giant pearls. Lese die Gedichte, lese ihr Gesicht. Es ist konzentriert, busy eben, nicht traurig, trying to understand sth, sb? Is she editing the poems, isn’t she waiting for someone? How rarely it happens that you sit on a bench and sb you don’t know comes to sit with you. Wolltest du das? Anyways, there’s no space left next to her, it's just her, words spoken by a voice, words printed on paper, the chains, some snacks, the beers.


Auf der Wiese: Salix babylonicas Haare im Wind, sie wiegen sich frisch, leben, tragen Schleifen und Perlen. Got dressed up for the end of the world, or is it just mine? Im Schutze der Weidenhaare sitzen zwei Zufällige auf Campingstühlen, Nora ausgesetzt. Sie sitzen mit unter ihr, wissen nicht, wie ihnen geschieht. Bleiben dennoch und akzeptieren den Ablauf, in dessen Mitte sie still sitzen, als starrten sie aufs Meer. Nora trägt Flügel, huscht herum, schottet sich hinter ihren Haaren ab. Sie ist auf dem Sprung. Nice to meet you. Sorry. Collapse. Gotta go. Smalltalk, als skill oder Schwert, das sich tödlich in eine Lunge bohrt, die gerade Luft holen wollte, um zu sprechen zu beginnen, endlich. But no, dort wirst du nie ankommen Nora. Du wirst bei den Bäumen bleiben, giftige Böden spüren. Nora kollabiert, wieder und wieder. Fällt in sich zusammen, wird wieder aufgezogen. Ich weiß, dass Salix Wasser mag, vielleicht reichen heute Tränen, vielleicht ist es nicht babylonica, sondern alba tristis oder fragilis, who knows.


Auch Nora und Nora campen. Sie kennen sich gut. Is this holidays? Hard to tell. Das stimmt nicht. Is it real life? Oder etwas, das sich aus der Wiederholung schält, aus dem loop fällt, als uncanny Ähnlichkeit bleibt? Nora hat Schnittchen gemacht, sie sehen gut aus. Wie Nora und Nora. Der Umgang mit dem Haar, dem langen wallenden Haar. Nora und Nora wackeln in ihren magic pants zum Campervan, kommt, kommt! Noras are excited, excited about being together, because life’s short and hair is long and because they have skills. Mach mich mal an! — aber nur, wenn du dich wehrst. Noras Augen arbeiten. Sie treten hervor, um enttäuscht herunter, herabzusinken. Ein, von unten nach oben rollender Augapfel, sich vermeintlich unterwerfender Blick der fragt - do you believe in me? Natürlich. Natürlich nicht. Listen to me if you can. LASS MICH, mich umgibt eine unsichtbare Hülle die sagt, dass ich aufhöre, du anfängst. Spürst du das auch? Nora ist wütend. Nein. Ein Mund ist eine Untiefe, alles was dann kommt ist Geheimnis. Lass mich allein aber geh nicht, ich will dir etwas schenken. Du wirst enttäuscht und glücklich zugleich sein. Ich schwebe weil ich kann und weil ich muss.

 


Maybe we are the rats that the cat catches. Die Gruppe, die sich als Schlange formiert is ready to follow. Ihr Catwalk mit Löffel durch das Grün, das immer noch weich ist, hier die Kiesel rahmt, die in Wasser münden, vorbei an Brennnesseln. Es ist ein Ritual, das wir bezeugen. Posing zwischendurch, nur kurz wird sie zum Bild, und es gibt zwei: der romantische Blick aufs Wasser, die Ferne, das andere Ufer - was denkt sie? She won’t tell you – ein kurzes Schwelgen. Dann oben, die Aussichtsplattform. Sie präsentiert sich nicht, hält nur inne, schaut als Bild zurück, konfrontiert ihre Followers mit einem gaze durch Holz, trifft sie mit einem gebündelten Strahl Augen. Grazil, sharp ausgeführte Schritte als hätten ihre Pfoten sich einen Weg durch die Brennesseln rasiert – get out of my way, das würde sie nie sagen – und obwohl diffus willig, schrecken die Followers zurück vor der Cat, die an ihnen riecht. Nicht jede kriegt ein Katzenbonbon, ein thanks-for-watching-Leckerli, oder ein take-this-and-leave-me-alone-Ding, das sie in die Hand gibt. Davor musst du parieren. Schief blickt sie mich an.

Wo bin ich gewesen? Dort ist sie, schon wieder. Oben, auf einem Pilz aus Beton, adlerartig. Jagd Nora? Sitzt sie fest? Wird sie fallen oder fliegen? Was hütet sie? Ist sie mutiert, oder erwarten die Umstände von ihr, eine andere zu sein? Stimmen sprechen unter ihr. Aus der Ferne, zwischen den Bäumen gibt Nora Cowboyworkshops, stapft breitbeinig, erforscht die Ferne. Gibt ihr Fernglas weiter, ein Hinweis nach oben: hohe Häuser, unzählbare Fenster, Balkone. Dort oben, dort! Ist dort der Pool? Wird er noch auftauchen, werden wir, wird Nora eintauchen? Sie verschwindet. Erinnere mich an die Karte, sie liegt neben dem Lindenblatt in meiner Hand. Ich muss pünktlich sein, das hat mir Nora eingefleischt. Better be x. Das Publikum, wir Involvierten, stehen wartend ganz lose auf einer Fläche, auf der Kleines den Blick nach unten zieht. Ein Altar von Nora für jemanden, niemanden, oder alle? Oder doch nur für uns.

Wir werden geholt, entführt. Ein Teil der Herde schleicht gereiht in Stille durch den magic forest, in dem es anders riecht. Erreichen die grüne Bühne, Nora tritt auf, wählt aus. Bin erleichtert, not the chosen one zu sein. Wo war sie all die Zeit? Who should I become? Die Schleifen um ihre Knöchel sitzen fest, über Stunden gebunden. Diese Schleifen überall, wie Geschenke, wie Kletten, wie Zecken; Zecken, die warten, sich fallen zu lassen. Nora singt, tanzt, springt, verschwindet. Lässt uns miteinander und ihren grellgelben Dingen allein, als wären sie eben erst erstarrt vom heißen Flüssigen ins kalte Feste. Als hätte sie uns zu sich eingeladen, nur um uns zurückzulassen; uns die Verantwortung für ihre zerbrechlichen Ornamente zu überreichen, handle with care. Nora ist langsam, lässt sich Zeit, um mit uns im Rücken in verlangsamter Bewegung voranzuschreiten. Schon lange ist sie da. Lange schon läuft sie denselben, ihren Weg wieder und wieder.


Nun, erst in der Annäherung, im Hineingehen wird klar - dieses Zirkuszelt war die vergangenen Stunden da, hat gewartet auf uns. Jetzt sind wir dran. Ich wünsche mich zu den Eiben zurück, oder als Ballon an die Decke des Zeltes, um von dort aus beobachten zu können. But there’s no way out. Nun ist alles anders, it’s your turn und come on, don't be shy, come on, there’s some work to be done, and everyone has to. We’re in this together. Das Licht spielt diesig seinen part, das Filmset, der Staub in der Luft. Die Bühne, die will, dass wir sie spüren,hält verschiedene tasks bereit. Unter dem Druck vieler Augen geschieht ein Rehearsal, eine Prüfung. I might fail. Nora hat die Texte geschrieben und steht dort mit Noras, on fire, fierce, full force, gimme more feelings, more, great, no, not like that, you can do it; Noras Augen sind streng, sie sehen alles. Wir sehen: ein Drucker, Papier. Noras bei der Arbeit, Notizen, Dialoge. Is this all about love? Schreibe mir einen Streit, dann können wir richtig streiten. OK, next, please proceed.


Das Warnwesten-, Mango- oder Alarmorange, dem ich stets folge als Kragen, Hemd und Zeichen, löst sich langsam in den Farben des Himmels ein, er errötet. Er zeigt an: time has passed, things have happened. Es wird kühl. Wir steigen ihm entgegen. Betreten die Klötze, die mir Nora im Fernglas vorher zeigte. Are we late? Was ist passiert? Dort, die Katze. Nun ist sie Guide und hat das Brennesselufer gegen den Aufzug getauscht, in den sie mich mit anderen führt. Eine Zeichnung wartet. Nora ist ein Chamäleon. Natürlich war Nora schon hier, sie kennt sich aus, selbstverständlich geht es ganz nach oben und alles ist vorbereitet. Müssen wir wieder spielen? Nora kann alles, will alles, alles alles. Ich trinke ein schwarzes Getränk, vermisse das blaue Grün des Gebüschs, Noras Nest, die kühle, giftige Luft der Eiben, ihre Stille. Would Nora take the risk, lässt sie in Ruhe eine hellrote Eibenbeere auf ihrer Zunge zergehen, spielt ihre Zunge kichernd mit dem giftigen Kern, während sie sich im Aufzug versteckt?

Wir stehen im 42. Stock gemeinsam auf einer Insel, es ist die letzte. Die Stimmung angeschwollen. Dort handelt nicht mehr Nora, dort tun andere, was getan werden muss. Ich glaube, Nora hat sie eingeladen, schaut nun selbst zu. Sie vollziehen ein Ritual, werden laut. Sie sind zu zweit wütend vor den Fenstern, den heruntergelassenen Jalousien, hinter denen sich der Rhein verbirgt, ein brennender Streifen im Licht der sich nähernden Nacht. Es ist eng und alle Noras sind im Raum verteilt. Musik. We reached the top, we climbed a peak, ich wäre bereit, in ein Gipfelbuch zu schreiben. Ich denke an den Zettel in Noras Zimmer, habe das Lindenblatt verloren.

- Pretty soon, I don’t know what, but something is going to happen -