KLICK KLICK, POW POW – ARCHITEKTUR/IDENTITÄT/ELEMENTE

03-01-2016 / Felix Lux

Hammerbrook. City Süd. Baustelle. Stadtlärm. Staub und Nebel. Keine Gegend, um dort zu leben. In einem abgesperrten Bereich steht ein zweistöckiges Haus mitten im Schutt. Rot. Der Rasen auf der Veranda ist neongrün. Eine Fassade aus Blech, gewellt­-versteift. Wie bei Schiffscontainern.

 

Die transkontinental jene Gadgets enthalten, die für weniger als im Baumarkt auf aliexpress.com geshoppt wurden. Allerdings ist an der Stelle der Gadgets jetzt das Orga­Bureau der Städtetouren mit rotem Doppeldeckerbus in den Containern. Vom Brachland auf dem die Busse nachts parken starten morgens die Touren in den Prunk der Hansestadt. Der perfekte Rasen auf der Container ­Veranda ist vermutlich aus recycelten PET Flaschen ­– der Umwelt zuliebe. Auf ihm steht, so rot wie das Gebäude selbst, ein Tisch­Bank­Hybrid. Eine College Bank, wie aus den US-­Skate­ Videos der 90er Jahre.

Wie um den latent temporären Duktus des Containers zu konterkarieren, tragen die beiden Hälften des Doppelhauses einen ordentlichen Giebel. Die Karikatur eines Traumhauses, wie es hier nie wieder stehen wird; der Baugrund ist teuer – Glas, Beton. Gestapelte Büros sind sein Schicksal.

Wieso aber aktuell ein Hausdummy? Die Angestellten wissen es nicht, wenn man sie fragt. “Es gibt Pläne..” Wieso sollte man sie auch fragen? Das Haussurrogat ist ja keine Entscheidung. Keine Institution für die Ewigkeit. Andere Gebäude schon, deutlich mehr zumindest. Also kann man auch die Bedenken des 1920er Jahren Werkbundes zu Weimar und Bauhaus’ von der Veranda in den Parkplatzstaub kehren und getrost auf Materialechtheit verzichten. Besser Furnier als einfach nur MDF. Und dann am besten noch eingefärbt. Der idealisierte Haus­typus ist ein gelungenes Zitat an Vorstadtidyll mitten im urbanen Morast der Entstehung jungen Prestiges. Temporär. 

So temporär wie Schulen in Dakar oder Mahnmale in New Orleans. Aber dazu später. Denn an sich ist die architektonische Implementierung eines normierten, omnipräsenten, transportablen Elements ja eine bestechende Idee. Nomadentum und Eigentum widersprechen sich schließlich erst ab einen gewissen – ­infrastrukturell determinierten – ­Punkt. Und wenn Künstlerkommunen gemeinsam transkontinental von Brache zu Brache ziehen wollen oder Hotels für Bauunternehmen zu teuer sind, dann löst man damit ja einige Fragen schnell, unkompliziert und “Heimatverbunden”. Jeder darf sich seinen Container aussuchen und behalten, Trailerpark­Chic mit Glasfassadenelementen und Wettrüsten wie auf Mobilehome­Parkplätzen in Norditalien und CentralUSA. Die akute Asylnachfragen in Europa sind der derzeit größte Mitwettbewerber auf dem Markt ­bis hin zum Containerengpass. 

Die modularen Eigenschaften (implizit neuer Möglichkeiten zusammen zu ziehen) sind ein weiteres methodisches Plus. Und wenn sogar eine Industrie für Giebelaufsätze für Schiffscontainer existiert: Um so besser. Solarkollektoren. Am besten an allen fünf Seiten. Unten Geothermie.

Das niederländische Architekturbüro Waterstudio NL exportiert dann auch direkt eine schwimmende Version des Containers nach Dakar. 

 
 
 

Verschiedene Einrichtungen wie Stromversorgung, Schulen und Läden sowie komplett eingerichtete Wohneinheiten sollen als modulare Kuben zwischen den selbst gebauten Latten und Dielen Konstruktionen schwimmen und alle Wasserstände kompensieren können. Die industriellen Metalloiden sind immer noch besser als die wankenden Gerüstkonstruktionen, die die Leute sich da zusammen gezimmert haben, ist die Überlegung, auf der die Implimentierung füßt. Die Multifunktionalität könnte alles andere obsolet machen. Hurra, der eine Container enthält die Gemeindeschule, der nächste die erste intersexuelle Patchworkfamilie der Stadt, der am Ende der Wasserstraße wiederum den gesamten Müll der Nachbarschaft. So landet er auch nicht im Meer.

Ob man sich mit dem frisch gelieferten Haus aber identifizieren kann? Werkzeug es zu opti­/transform­ieren ist vermutlich Mangelware. Die früheren Bemühungen mit technokratisch­normistischen Modellen, Menschenleben in rigide Raster einzufügen wirkten nicht unbedingt identitätsstiftend. Eine gemeinschaftliche Identität würde aber sicher vor allem den Gegenden zuspielen, die im Wettkampf um Ressourcen noch näher am survival of the fittest Punkt existieren als HH City Süd.

Sicher sollte man den Architekten bei Waterstudio NL um Koen Olthuis nicht den Vorwurf des Kulturimperialismus machen oder sie Neo­Kollonialisten nennen und mit quecksilberhaltigem Schlamm aus dem Grund des Kap Verde bewerfen. Gleichfalls sollte man nicht die Hausboote im Amsterdamer Norden oder gar die schwimmende Moschee, die das Studio zu Wasser ließ, versenken.

Maximal eine kritische Spambot­Attacke... Praxen importierter, kontext­ignoranter Problemlösungsansätze sind​ non­temporary​... tztztz. Wer schafft denn heute noch kulturevolutionäre Sackgassen die Menschen einschüchtern und auf abhängige Weise bequem werden lassen?

Klick Klick. Culture Clash.

Elemental, die Wohnblöcke des Peruanischen Architekten Alejandro Maravena s​ind ein architektonisches Raster, eine abgeschlossene Einheit. Formalistisch, Containergleiche Kuben, in Dreiergruppen nebeneinander gestellte, an der Basis verbunden Einheiten mit Tür und Fenster, Badezimmer, Wohnraum, Küche. Smaterweise lassen sich die Basis­-Einheiten mit dem Maximalzuschuss der peruanischen Regierung für Bauvorhaben finanzieren. Die Seitenwände sind statisch irrelevant, lassen Durchbrüche zu und Lücken implizieren, den Bewohnern selbst etwas zuzufügen, dass das Nötige, das Basale transzendiert und erweitert. Der Rest bleibt den Bewohnern selbst überlassen.

 

 
 

 

Etwa 30% der Elemental­-Bewohner entschieden sich schnell die Gebäude zu verkaufen oder zu vermieten. Ein Problem, wenn es darum geht Slums für deren ursprünglichen Bewohner aufzuwerten, diese dann aber wegziehen und an ihrer Stelle gewachsene durch monetär legitimierte Strukturen ersetzt werden. Idealismus und Ökonomie reichen sich die Hände, Chancen entstehen, und Nahkampf. Gestaltung und Design sind nicht selten Kredibiliteure und Attraktoren auf einem Markt der Idealismus zu ökonomisieren versteht.

In New Orleans wurden nach dem Hurricane “Katrina” Container dort aufgestellt, wo vorher Häuser waren. Funktionslose Mahnmale aus Holz und Blech, die durch Präsenz die Abwesenheit des Vorhergegangenen illustrieren sollen.** Brad Pitt schlug vor sie neonpink zu streichen. 

 

Und es wurde pink im leergefegten Stadtteil. Die Inhaltslosen Container waren vom Apell erfüllt, es wieder gut zu machen. Die Make­it­right­Foundation konzipiert und realisiert im Folgenden mit dem Erlös aus der Aufmerksamkeit, die die pinken Punkte auf medigenen Luftbildaufnahmen bekamen, ein Haus aus Containerelementen. Hochwassergesichert. Leider wurde das heterogene Stadtbild, das die pinken Punkte aus der Luft suggerieren nicht weiter verfolgt und eine relativ klassische Reisbrettplanung hat die Chancen, die die Naturgewalt aus städteplanerischer Perspektive aufgeworfen hat, ignoriert. Man hatte vermutlich auch Besseres zu tun. Vielleicht nächstes Mal…

Im Golf von Guinea schwimmt ein Teil der nigeriansichen Megapolis und Hauptstadt Lagos jenseits von Hochwasserbedenken. Auch Überlegungen über wohlfühlzentrierte Parkarrangements sind unnötig, man könnte die treibenden Wohneinheiten jederzeit anders anordnen. Zumal die Frage sich vermutlich nur manchmal stellt, beziehungsweise andere Themen vorher relevant sind. Schulen zum Beispiel. NLÉ studio konzeptioniert für einen schwimmenden Slum in Lagos ein Schulgebäude, das aus einigen Latten und Wasserkanistern besteht. Das dreistöckige Gebäude ist im Grund der Bucht verankert.

 
 

Geplant und entwickelt in Kollaboration mit bauerfahrenen Anwohnern. Gegen den anfänglichen Widerstand und mit der späteren Hilfe der Regierung.* Modular. Kaum Material­ und Kapitaltransfer ist nötig ­von den Solarkollektoren abgesehen. Das Gebäude ist offen, transparent, modifizierbar, adaptierbar. Eine intelligente Weiterführung der lokalen Architektur und darin ein manifester Appell an diese sich selbstbewusst zu prozessieren, etwas aus dem zu bauen, was da ist. Ohne weitere Workshops oder p​rogress­guidelines​ ist, die Schule ein Ort f​ür​ und ein Gedanke a​n​ die Zukunft.

Pow Pow. Power to the People. 

Die Bewohner der roten Perle im Hamburger buisness district werden sich kaum Gedanken darüber machen bald den Balkon zu begrünen oder nach Feierabend aus Bauschaum einen Pool auf den Balkon zu modellieren. Ob sie von der sie umgebenden Imposanz und auch ihre besitzstruktur­indoktrinierte Unidentifikation mit dem Domizil auch daran schuld sind? Für die Arbeiter im Container stellt sich die Frage kaum. Für Asylsuchende schon eher. Wie temporär kann Architektur überhaupt sein? Welche Elemente steuert sie Identität bei? Und wie kann sie es schaffen im Bezugsgeflecht Identität­Materialität beide zu formen ohne diktatorisch zu sein? Egal, im Endeffekt ist Identifikation eine Entscheidung, alles open source und life­hacks common practice. Man muss es nur machen. Und vorher vielleicht die Nachbarn fragen, ob auch grün ginge. 


* (vgl. Architecture of change 2. Sustainability and humanity in the built environment, Gestalten, 2009) 

** (​vgl. Pop Up Issue 18) 

http://www.waterstudio.nl/
http://makeitright.org/see/new-orleans/
http://www.nleworks.com
http://www.elementalchile.cl/en/