KUNSTSTÜCKE
07-04-2020 / die Redaktion
Diese Rubrik widmen wir den Künstlern. Dieses Mal wollen wir die geheimnissvollen Zeichnungen von Kolja Gollub vorstellen und eine Geschichte erzählen, die wahrscheinlich wahr ist oder auch nicht...
*
Als einen wichtigen Teil meiner Arbeit verstehe ich die Fähigkeit Menschen zu lesen. Als Galerist verbringe ich eine erhebliche Menge Zeit mit dem Vertreten von diversen Interessen und muss dabei noch den Spagat zum Profit leisten. Ich baue unsichtbare Zäune und mache daraus ein Labyrinth, in dessen Herz sich meine Galerie befindet. Die Galerie ist für mich der Ort, an dem extrovertierte Sammler eine kleine Plauderei mit den introvertierten Künstlern erlaubt ist oder wo die Künstler offensiv auf die Sammler zugehen können. Das Business wird dann in meinem Büro oder auf den Messestand gemacht.
Ich kümmere mich persönlich und immer von Angesicht zu Angesicht um meine Kunden und Künstler, die ich vertrete. Und so bemühe ich mich auch den Künstlern jährlich einen Atelierbesuch abzustatten. Mir ist der Austausch wichtig.
Der Erfolg meiner Galerie beruht auf meinem Verständnis für die Künstler. Verstehe ich, was er oder sie meint und will, verstehe ich auch wie ich die Arbeit auf dem Markt platzieren kann. Natürlich wird aber die Regel durch die Ausnahme bestätigt. Die Ausnahme – Kolja Gollub. Ein Künstler, den ich seit 7 Jahre erfolgreich vertrete und der mir immer noch ein Rätsel ist.
Über Gollubs Arbeit werde ich nicht so viele Worte verschwenden. Es gibt inzwischen einige Kunsthistoriker, die daran arbeiten und wem es interessiert, soll deren Texte lesen. Wenn mich meine Kunden über Gollub fragen, sage ich das er Maler ist und das er Utopien malt. Gollub lässt die Welt in diverse Farbschemas und amorphe Formen auf Papier und Leinwand fließen.
Kolja Gollub kenne ich nicht. Einmal haben wir uns getroffen, als er 2012 den Vertrag mit der Galerie unterschrieb. Gollub erscheint nicht zu seinen Eröffnungen und antwortet einzeilig auf E-Mails. Als ich neue Arbeiten in seinem Atelier sichte, ist er nicht anwesend. Sein Ateliernachbar Mathieu macht mir die Tür auf und weicht höflich allen meinen Fragen über Gollub aus.
Das Atelier ist karg und ohne Fenster. Ein LED Leuchtstab hängt von der Decke und ein zweiter ist an der Wand angelehnt. Ein Tisch mit wenigen Malutensilien und ein Bürostuhl vervollständigen den Raum. Seine großformatigen Gemälde hängen immer unprätentiös, aber exakt an die Wände. Die Präsenz des Künstlers ist zu spüren und ich habe mich schon oft gefragt, ob er nicht im Raum daneben Zeitung liest und schweigsam wartet bis ich meine Umschau beendet habe.
Nun. Diesmal lag eine Schachtel mit Zeichnungen auf dem Tisch. Das ist nicht unüblich und verkaufstechnisch sind Zeichnungen immer sehr fruchtbar. Worauf ich aber nicht vorbereitet war, war unter den Zeichnungen einen kleinen Notizblock zu finden...
Und dann brach der Orkan von Fragen aus.
Der Galerist (M. M.)
*
Es folgen Auszüge aus dem Notizbuch:
2015 war ich in Pachuca, (MEX), dort besuchte ich ein Museum.
Es hieß V. Museo und lag im Stadtzentrum direkt neben dem größeren Guggenheim Pachuca.
...
In diesem Museum sah ich etwas sehr unübliches: Eine Reihe von Bildern nicht datiert und unsigniert.
Sie hatten wenig zu tun mit den Bildern die ich sonst zusehen bekam.
...
Diese Bilder kamen sehr einfach und materiell daher.
Lose Striche und Bewegungen auf hellen Flächen. Eher neben als übereinander.
Farben die komisch aus der Fläche kamen und auf ihr schwebten.
Irgendwie sehr flach und sehr räumlich.
...
Manchmal kippten die Bilder so komisch und Dinge tauchten im Bild auf..
Merkwürdige Figuren, Landschaften, Architektur, Pflanzen..
...
Irgendwas begeisterte mich auch an der Art wie die Farben zusammen kamen.
Da war irgendwie so ein einfaches, rohes Vergnügen drin…
Es ist leider schwer zu schildern.
Man müsste es sehen.
...
Ich schaute die Bilder genau an und dachte mir „Genial, dass es sowas gibt!“
...
Man durfte dort nicht fotografieren.
...
Diese Zeichnungen sind Rekonstruktionen meiner Erinnerung.