Real Friends

14-02-2023 / Annekathrin Kohout

"It’s Fate. It’s Destiny. We Both Like Burritos."

Freundschaft. Ein Wort, zwölf Buchstaben, das Beste, was es gibt auf der Welt. Oder? Aristoteles hat einst geklagt „O meine Freunde, es gibt keinen Freund!“ Weil Freundschaft zwar wahnsinnig schön, aber meistens nicht einfach ist, sondern beidseitig einiges an Engagement verlangt. Das gilt umso mehr für Freundinnenschaft, denn kulturhistorisch betrachtet war Freundschaft eine Sache der Männer. Männer haben einen Blutsbruder oder einen Buddy. Alle anderen führen ‚Zickenkriege‘. Siegfried Kracauer hat bloße ‚Gemütsfreundschaften‘ streng von ‚wahren Freundschaften‘, die sich durch geistige Verbundenheit auszeichnen, unterschieden. Wenig überraschend gehörten für ihn ‚Frauenfreundschaften‘ in die erste Kategorie. Auch wenn diese Stereotype teilweise überholt zu sein scheinen, bleibt es doch eine progressive Geste, wenn zwei Künstlerinnen ihre Freundinnenschaft ausstellen. Und diese ist nicht nur ‚wahr‘, sondern auch echt!

 

REAL FRIENDS . Theresa Rothe · Josefine Schulz .(Photo: Jenny Schäfer)

 

Josefine Schulz und Theresa Rothe sind Schulfreundinnen, Weggefährtinnen und geistig sowie künstlerisch Verbündete. Die Bedeutung eines räumlichen Miteinanders und (öffentlicher) Orte, an denen man sich auch außerhalb des Internets ‚in real life‘ begegnen und austauschen kann, waren der Ausgangspunkt für das Ausstellungsprojekt und die beide Werke umspannende, gemeinsame Rauminstallation. Das ist keine Bagatelle: Anstelle des narzisstischen Künstlerinnen-Egos wird Gemeinschaftlichkeit gepriesen.

Dass beide Künstlerinnen mit der Formsprache des Niedlichen spielen, ist kein Zufall. Niedlichkeit ist – anders als das Erhabene, das Schöne oder auch das Hässliche – eine Ästhetik der Nähe. Ihre Wirkung löst unmittelbar Emotionen aus und verleitet geradezu zur Distanzlosigkeit, zum sogenannten „Aww-Effect“, der das Bedürfnis beschreibt, sich berühren, drücken, kuscheln oder sogar quetschen zu wollen. Im räumlichen Miteinander der beiden unterschiedlichen, aber doch harmonierenden künstlerischen Positionen lädt die latent präsente Niedlichkeit zum sozialen Miteinander ein. Bei aller Befremdung, bei allem Unheimlichen und Grotesken, das zwischen den Figurenkonstellationen von Schulz oder in der Gestaltung und den Bewegungen der Objekte von Rothe vorhanden sein mag, stiftet sie Wärme und Zuneigung.

 

REAL FRIENDS . Theresa Rothe · Josefine Schulz . Ausstellungsansicht Künstlerhaus Sootbörn (Photo: Anne Lippert)
REAL FRIENDS . Theresa Rothe · Josefine Schulz . Ausstellungsansicht Künstlerhaus Sootbörn (Photo: Anne Lippert)
REAL FRIENDS . Theresa Rothe · Josefine Schulz . Ausstellungsansicht Künstlerhaus Sootbörn (Photo: Anne Lippert)
REAL FRIENDS . Theresa Rothe · Josefine Schulz . Ausstellungsansicht Künstlerhaus Sootbörn (Photo: Anne Lippert)
REAL FRIENDS . Theresa Rothe · Josefine Schulz . Ausstellungsansicht Künstlerhaus Sootbörn (Photo: Anne Lippert)
REAL FRIENDS . Theresa Rothe · Josefine Schulz . Ausstellungsansicht Künstlerhaus Sootbörn (Photo: Anne Lippert)
REAL FRIENDS . Theresa Rothe · Josefine Schulz . Ausstellungsansicht Künstlerhaus Sootbörn (Photo: Anne Lippert)

 

Freundschaftsbeziehungen pendeln stets zwischen starken Gefühlen der Vertrautheit und der Fremdheit. Die Schwingung dazwischen beschreibt gut die Grundstimmung der Arbeiten von Theresa Rothe: Sie sind ‚creepy‘ und ‚cute‘, lösen Aversion und Zuneigung aus. Es sind Figuren wie aus einem Wachtraum, die man kennenlernen möchte, vor denen man sich aber auch ein bisschen fürchtet. Ihr Zucken und Ruckeln provoziert Respekt, aber auch Faszination: Sind sie gut oder böse? In beide mögliche Realitäten kann man sich gleichermaßen hineinbegeben. Dieser Effekt gelingt Theresa Rothe durch ihren außergewöhnlichen Umgang mit Materialen und Geräten. Bekannte Werkstoffe werden ihrem üblichen Zweck entfremdet. Schon mal von einer Beflockungsmaschine gehört? Was eigentlich zum Auftragen eines Rasens für den Modellbau verwendet wird, nutzt Rothe für das Inkarnat, die Gesichtshaut einer ihrer Figuren.

Auch in den Malereien und Keramiken von Josefine Schulz geht es um gemischte Gefühle. Auf ihren Gruppenbildern sind neben niedlichen Hündchen Teens und frühe Twens zu sehen, die auf den ersten Blick wirken, als seien sie lose nebeneinander platziert worden. Schaut man genauer hin, sieht man, wie sich ihre Protagonist:innen berühren, wie sie sich Blicke zuwerfen oder sie einander verweigern. Sie beschreibt damit eine Zeit im Leben, in der sehr viel Schicksalhaftigkeit im Zufall stecken kann, in der Sehnsüchte oft mit Furcht gepaart sind – etwa davor, dass Beziehungen zerbrechen statt zu überdauern. So modisch und selbstbewusst uns die Figuren von Schulz’ Bildern auch gegenübertreten mögen: ihre Posen sind ungelenk. Das offenbart ihre Unsicherheit auf liebevolle Weise. Hinter der distanziert-coolen Oberfläche – malerisch wie inhaltlich – verbirgt sich ein tiefliegendes Emotionsgeflecht aus Wünschen und Sorgen, Genuss und Beklemmung. Ein Sinnbild für die Zerbrechlichkeit von Freund:innenschaft.