Beim Ananas schneiden
22-06-2025 / Jenny Schäfer
Wie ich als Künstlerin überlebe,
wenn ich auf ein Symposium gehe, das Arbeit ist, nach der anderen Arbeit, nachdem ich im Eltern-Kind-Haus gearbeitet habe, den Keramikofen in der Kunstwerkstatt angestellt habe, meine freien Tage online im Besuchermanagementprogramm für die Führungen eingestellt habe, hoffe, dass ich Workshops geben kann, sogar anrufe, damit die mich auf dem Schirm haben, weil damit verdient man ganz gut, wie ich während einer Büroschicht viele Anträge und Bewerbungen schreibe, forsch nachfrage, warum mein Lehrauftrag nicht eigentlich eine Gastprofessur ist, nach der anderen Arbeit vor dem Symposium zum Gold-An- und Verkauf gehe und die lange Goldkette von meiner Oma verkaufe und sage bitte behalten sie die Verpackung auch, damit ich nicht traurig bin, aber der Goldpreis ist grade sehr hoch und ich bin froh, dass ich nächsten Monat meine Miete gut zahlen kann, anschließend Essen gehe und dann gehe ich auf diese Tagesveranstaltung wo auch Kolleg*innen sind und ich frage mich, fraaaaaage mich, wie das geht, dass sie das nicht machen müssen oder ob sie auch solche Jobs haben oder welche und dann nach dem Symposium bin ich dankbar für meine Jobs, weil die Gespräche gehen manchmal so weit weg weit weg weit weg weit weg von Praxis und echtem Leben, wenn sie über Theorien sprechen und was man doch wissen muss und was man hier und da verbessern müsste, dann frage ich mich, was bedeutet das für die Lehrkräfte, Erzieher*innen, die sich auf ihrem Zahnfleisch zur Arbeit schleifen, täglich, die Wunden schon dreckig und schlecht schließend
Wie ich mich überhaupt als Künstlerin definiere
wenn ich gefragt werde, was ich so mache und weiß, ich müsste jetzt souverän über meine Projekte sprechen, weiß aber nicht genau, wie ich das realisieren soll, weil dafür fehlt das Geld, überhaupt die Recherche zu machen, die Filme zu kaufen, zehn Filme hab ich jetzt schonmal gekauft, 250€ puh, das war teuer, aber die habe ich schonmal, außerdem hat die Kette gut Geld gebracht und ja, dann muss ich erstmal die Gedanken zur Kunst rausschälen, die ich die ganze Zeit denke, die sich aber verstricken und verwickeln mit Alltag, neue Schuhe kaufen für Kind, Schlafanzüge bei Kleinanzeigen in Größe 158, Texte lesen, die Doktorarbeiten sind, die zum Kanon gehören, höre ich hier und da und das muss man doch kennen, Gebrauchsanleitungen lesen wie man die Ohrenspülung für die ständigen Entzündungen im Ohr meines Kindes benutze, Elternbriefe, was ich noch mit ihm für die Mathearbeit lernen muss, e-Rechnungen wie man die jetzt wann nutzen muss und eigentlich auch Romane, die so gut so hinreissend sind (Heisse Milch, Deborah Levy) und dann die Sehnsucht, dass ich nächste Woche ins Atelier gehe, dass ich da dann stelle, lege, setze, dann die Urmünder bewege, die Herzen sortiere, die Bilder kombiniere, die Räume imaginiere, die Texte korrigiere, die Dinge in meinem Bewusstsein drehe und wende und das andere vergesse um dann wieder einzutauchen in das andere Leben, das ich am echtesten finde, mit meinen Freund*innen, mit meinem Kind, meinem Freund, meinem Alltag, der durchströmt ist, von echten Menschen, die meine künstlerische Arbeit füllen wie ein Teich Schlaraffenland ewig gefüllt ist mit hochkalorischen Proteindrinks