Existenzielle Selbstständigkeit
18-09-2017 / Nick Koppenhagen
armin chodzinski : Irgendwann Mitte der 70er Jahre, in den Sommern – und ich glaube es waren mehrere Sommer – in denen ich morgens nach dem Frühstück als kleines Kind die Wohnung verließ mit einem Eimer voll Wasser und einem Quast, um damit den Eternitschuppen, der bei uns im Garten stand, mit Wasser zu streichen. Das war bei relativ hohen Temperaturen, sodass das Eternit durch die Hitze knochentrocken und sehr hellgrau war und bei jeder Berührung mit Wasser so ein ganz warmes, dunkles Anthrazitgrau bekam. Dieser Schuppen hatte eine Größe, die dafür sorgte, dass wenn man einmal herum war und den ganzen Schuppen dunkelgrau gefärbt hatte, die Sonne ihre Arbeit auch getan hatte und man am Anfang wieder auf so eine hellgraue Farbe traf, weil das Wasser wieder weggetrocknet war.
nick koppenhagen : Der Schuppen war freistehend?
ac : Ja, also der Schuppen war so ein bisschen an der Grundstücksgrenze, aber man kam eigentlich überall heran. Auf der Rückseite des Schuppens standen noch so alte Baumaterialien gestapelt, über die man so ein bisschen herumkriechen musste, aber das Ziel war schon den Schuppen in seiner Gänze zu umrunden, was auch ging. Und dieses Bemalen des Schuppens habe ich mit einer sehr großen Ausdauer betrieben.
nk : Wie oft hast du das gemacht?
ac : Da gehen natürlich die eigenen Erinnerungen und die Erzählungen ein bisschen durcheinander. Letztendlich erinnere ich mich an vier Sommer – es könnten aber auch nur drei gewesen sein – und dann schon regelmäßig, also in den Sommermonaten, dann so für zwei Wochen, also schon mit einer gewissen Stringenz. Es lang ein bisschen daran, dass ich des Sommers eigentlich nicht so richtig viel zu tun hatte, also es gab kein so richtiges soziales Umfeld oder das soziale Umfeld zerschlug sich gerade relativ schnell, weil wir reden hier grob über den Zeitraum Ende Kindergarten und Anfang Schulzeit. Kindergarten zuerst und dann Grundschule trennten sehr die sozialen Zusammenhänge. Ich hatte einen guten Freund, der kam dann allerdings auf eine Sonderschule und dann trennte es sich so. Ich hatte also relativ viel Langeweile und wir sind nie in den Urlaub gefahren. Also gab es viel Zeit, die man mit sich selber verbringen musste. Neben der Erkundung von Wäldern und See war dieses Schuppenstreichen eine stabile Tätigkeit, und die Tätigkeit war in keiner Sekunde hinterfragbar, also für mich nicht hinterfragbar, weil es war eben ganz klar, was man da macht und es hatte eine ganz klare Zeitlichkeit. Man streicht halt den Schuppen und wenn gefragt wurde „Was machst du da?“, habe ich behauptet „Ich bin der Maler Fixel und muss zur Arbeit“ und in meiner Familie war dann der Mythos, dass ich mir diesen „Maler Fixel“ ausgedacht hätte. Das habe ich lange Jahre auch selber geglaubt, bis ich dann über meine eigenen Kinder festgestellt habe, dass es ein Kinderbuch gibt, wo es die Figur „Maler Fixel“ gibt. Dieses Buch muss irgendwie bei mir im Kindergarten vorhanden gewesen sein. In dem Buch gibt es auch einen Jungen und es gibt auch die Langeweile, die dazu führt etwas zu streichen. Aber da gab es auch Farbe und dann eine Wand, die mit Blumenmustern bunt bemalt wurde und Freunde, die dann dazu kamen und auch malen. Ein bisschen eine Abwandlung von Tom Sawyer, aber ohne Kapitalismuskritik, eher so Hippietum mit „wir malen gemeinsam eine Wand an“ und irgendwie war dieser Maler Fixel ein Handlungsangebot für mich, was man machen kann, wenn man Langeweile hat.
nk : Interessanterweise ist dieses Handlungsangebot oder die Rahmung, in die du das selber gebracht hast, eben eine der Arbeit und nicht eine des Spiels, was auch die beiden Geschichten verbindet. Auch bei Tom Sawyer, wo es dann bis zur Lohnarbeit geführt wird und bis zum geschickten Kapitalisten, der andere das Arbeiten wollen lässt. Du hast es in diese Rahmen gesetzt, also es gibt einerseits den Aspekt der nicht-zweckgebundenen Arbeit, die auch nichts produziert und andererseits eben doch eine Geschichte der Erwerbsarbeit.
ac : Das ist natürlich so bei Geschichten, die sich einem so einbrennen und einen so auf eine Spur setzen, dass es total ununterscheidbar wird, was da Mythos und eigenes Storytelling ist und was da wirklich die Empfindung in dem Moment war. Wenn man sich heute den Kontext anguckt ist es relativ naheliegend, dass es mit so einem Erwerbsarbeitsmodell affirmiert. Ich habe einen Bruder, der acht Jahre älter ist, der zu der Zeit eine Ausbildung gemacht hat, der also wirklich morgens zur Arbeit gefahren ist. Arbeit spielte bei uns immer eine recht große Rolle mit der Frage, was es da für Modelle gibt. Es wurde nicht so richtig viel gearbeitet in meiner Familie. Wir waren eine Flüchtlingsfamilie, die eigentlich so eine Arbeitertradition hatte und in dem Haus in dem ich aufwachsen bin, das war so ein kleines Nachkriegshaus, was die Städte und die ländlichen Regionen damals den Flüchtlingen angeboten hatten, ähnlich dem englischen Cottage-House-Modell, die sieht man heute noch. So klassische Siedlerhäuser, mit einem relativ großen Grundstück, aus der Idee heraus, dass man Selbstversorgungsangebote macht. Diese Häuser wurden siedlungsweise großflächig gebaut und dann den Flüchtenden zum Kauf angeboten – zum Teil mit Ratenzahlung von bis zu 30-40 Jahren – also eigentlich eine Art Mietkauf, damit man eben die Möglichkeit bekam irgendwo zu wohnen und gleichsam mit dieser in der Nachkriegszeit wichtigen Idee, wie kompensieren die eigentlich ihr Essen und zwar eben dadurch, dass alle ein relativ großes Grundstück hatten, wo dann alle Gemüse und so angebaut haben. Man sieht das heute auch noch, wenn man durch die Städte fährt, dass diese Siedlungshäuser meistens in so einem Schachbrettmuster angelegt sind und dann sind immer rechts und links davon Neubauten und dann kommen wieder Doppelhäuser dazu und dann wieder Neubauten. Diese Neubauten sind eigentlich immer in diese Grundstücke herein gebaut, die ursprünglich als Anbauflächen für Gemüse oder Obstbäume oder auch Hühner gedacht waren, also städtische Arbeiterbauernhöfe. In diesem Haus sind wir mit drei, dann allerdings zwei Familien aufgewachsen: meine Großeltern und meine Eltern und da spielte Arbeit immer eine Rolle. Zum Beispiel, dass mein Opa nicht mehr arbeiten konnte, weil er aus der Kriegsgefangenschaft kam und gleichzeitig hat er trotzdem bei der AEG irgendwie etwas gemacht. Es gab drei soziale Gruppen, die da eine Rolle spielten, dass eine waren gemeinsam geflüchtete, die haben alle in der gleichen Straße gewohnt und kannten sich deshalb, dann Leute, die über die AEG und die Gewerkschaft zusammenkamen und eben die Familie. In der Familie gab es eine klare Idee von der Trennung von Arbeit und Privatleben, also es gibt Erwerbsarbeit und dann gibt es Privatraum und das eine hatte mit dem anderen nicht zu tun. Das führte dann bei meinem Vater auch dazu, der eigentlich ein Klassenspringer war, also aus der „Schicht“ kommend dann kaufmännischer Angestellter war. Aber gerade, weil er in diesem kaufmännischen Angestellten-Dasein so sehr die Grenzen auslotete: „Was ist mein Erwerbsverhältnis?“, „Was ist mein Privatverhältnis?“, ist er eigentlich gescheitert in diesem Klassensprung und war dann ein Großteil meines Lebens und einen entscheidenden Teil seines Lebens arbeitslos. Ich komme also aus einem Konglomerat der Arbeitslosigkeit, wo sich dann eher über die Notwendigkeit der Arbeitsbegriff verändert hat. Aber als ich so klein war, war klar, man macht irgendwie etwas, wenn man denn irgendwie „frei“ haben will. Es gibt aber keinen Tag zu gestalten oder so, es gibt keinen Urlaub oder keine Idee, wie man damit umgeht, sondern es gibt das Tätigsein und wenn das Tätigsein vorbei ist, dann gibt es halt Freizeit und Freizeit heißt halt, in den sozialen Gruppen irgendwas machen. Es ist aber ein ganz klares Bekenntnis zur kompletten Entfremdung. Das ist aber auch eine relativ heile Welt, dieser Vertrag, dass es entfremdete Arbeit gibt und dafür gibt es äh...
nk : ...die nicht-entfremdete Freizeit. Um aber noch mal auf den Schuppen zurückzukommen. Auch wenn man sich natürlich nicht zurückversetzen kann, weil Erinnerung einfach so nicht funktioniert, kann man es zumindest auf sich heute beziehen, was für eine Form von Arbeit das ist und auch was für eine Form von Genugtuung das einem gibt oder was das auch verspricht dieses Wiederholende, Nicht-Produzierende, klar Strukturierte und das taucht dann ja auch wieder später bei dir auf, in deiner künstlerischen Arbeit.
ac : Ja, das ist das Gleiche, im Endeffekt mache ich nichts anderes. Das ist ja das Erstaunliche, dass man das dann feststellt, wie sehr man immer versucht wegzurennen und dann ist aber doch alles in konzentrischen Kreisen das Immergleiche. Was ja das total tolle an dieser Schuppenpraxis ist, ist ja, dass in dem Moment unglaublich viel passiert: Es ist eine Kontemplation, in der man noch die Räumlichkeit verändert. Man verändert eine Farbe, dass ist das Ephemere, die ist dann auch wieder weg, aber man verändert auch ein Klima. Es ist also total ganzheitlich, weil man hat die heiße Sonne und das kalte Wasser auf dem Eternit, das zur Ausdünstung kommt, und dann entsteht ja immer so eine Verdunstungskälte, also es entsteht immer ein eigenes Klima, was sich verändert, wenn man nicht mehr genug Wasser drauf hat. Das ist etwas, was so ganz entscheidend ist und woran ich mich auch noch erinnere, dass es auch so schön war, sodass ich mich dann irgendwann gefragt habe „Was ist eigentlich an baden gehen so erfrischend?“, weil das Streichen vom Eternitschuppen ist halt wirklich erfrischend und da hat man eine Tätigkeit und man hat auch eine Möglichkeit, dass man ein Ende findet, weil man ja einmal rum ist, aber man ist ja auch wieder nicht „einmal rum“, weil man den Anfang eigentlich nicht mehr erkennen kann.
nk : Erinnerst du an welchem Punkt du aufhören würdest mit dem Streichen. Wenn du jetzt gerufen wirst zum Essen, beendest du noch die Runde oder ist das egal?
ac : Ne, meistens nicht. Aber ich würde sagen, es gab bestimmt auch Momente, wo mir das nicht egal war.
nk : Weil man so knapp davor ist?
ac : Je nach Wetter gab es auch Momente, wo man den Schuppen streicht und sich dann davor setzt und dem beim Verdunsten zuguckt, weil die Hitze nicht reicht, um das in der Zeit wirklich wieder hell zu machen. Und diese Momente, das erinnere ich, konnte ich schwerer unterbrechen. Es ist aber zum Beispiel auch klar, dass man noch eine Seite fertig macht, also man hört jetzt nicht mitten in einer Seite auf nur, weil jemand ruft, aber so groß ist die Seite ja nicht und was ja an der Tätigkeit auch schön ist, ist, dass man sie in ihrer Dauer frei skalieren kann.
nk : Trotzdem gibt es auch schon als Kind so eine gewisse Selbstverpflichtung der Aufgabe gegenüber, die dann ja in der Konzeptkunst versucht wurde zu Ende zu denken, aber die ist einem ja auch als Kind schon klar.
ac : Genau und das ist ja das interessante dann mit der Kunst. Das, was du sagst, ist ja völlig richtig, das ist eine Handlungspraxis und die hat ihre innere Logik und ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten und die sind völlig unhinterfragbar. Sie sind nicht argumentierbar. Für ein Kind sowieso schon mal nicht, aber sie sind außerhalb jeder Diskussion, weil sie aus sich selber heraus folgen und das interessante ist, wenn dann dort so etwas wie Betrachtung oder Kritik einbricht. In Form von vorbeigehenden Spaziergängern, die dann einen am Gartenzaun auslachen oder sowas sagen wie „Na, malst du das auch alles ordentlich?“ oder so. Ab dem Moment, wo es ein Außen gibt, was das kommentiert oder dazu eine Frage stellt, ab dem Moment muss man ja erst die Grenzen definieren, die vorher aber selbstverständlich da sind. An der Stelle entscheidet sich auch in welcher Ernsthaftigkeit das eigentlich funktioniert, also ob man sich selber ernst nimmt, in dem was da passiert oder nicht und das es eben nicht auf Kommunikation angelegt ist, sondern die Kommunikation etwas ganz anderes daraus macht. Das finde ich einen spannenden Gedanken, weshalb mir dieses Beispiel relativ wichtig ist. Ich habe 1997 eine Zeitung herausgebracht, die hieß „Revision“, das war am Ende meines Kunststudiums und da ging es damals schon um die Verhältnismäßigkeit von Kunst, Ökonomie, Gesellschaft, „Wie funktioniert das Politische?“ und so weiter. Das war eigentlich so ein Zeitungsversuch, wo es ganz viele Interviews mit Leuten geben sollte, die allesamt ihre Praxis als gesellschaftlich relevant begreifen. Die Grundfrage dieser Zeitung damals war: „Warum stehst du morgens auf und tust irgendetwas?“ und das war breitflächig gestreut. Da gab es Interviews mit Unternehmensberatern, aber auch mit Kuratoren, Künstlern, Kulturwissenschaftlern und so. Und als diese Zeitung in die Welt kam, habe ich so eine Art Editorial geschrieben und da kommt diese Schuppengeschichte das erste Mal vor.
nk : Und wo gab es dann das erste Mal wieder eine ähnliche Praxis? Du hast ja auch Zeichnungen gemacht, bei denen es ganz stark um Wiederholung geht, etwas immer wieder zu tun und eine Regelmäßigkeit zu haben. War das dann das Erste nach dieser Kindheitspraxis oder tauchte das schon zum Beispiel in deiner Bewerbungsmappe auf oder...
ac : Ne, eben genau nicht und das ist ja genau das Lustige oder eher das unendlich, unglaublich Tragische an der ganzen Geschichte. Diese Art der Praxis hat mich immer begleitet. Mit 13 bis 15 Jahren habe ich DIN-A5 Karohefte immer mit drei Striche senkrecht, drei Striche wagerecht, drei Striche senkrecht, drei Striche waagerecht vollgemacht, dann noch mal mit Kreisen und Kreuzen. Dann habe ich zum Beispiel häufig auf Klopapierrollen – weil das so eine begrenzte Menge war – alle Bands, die ich kannte, hintereinander aufgeschrieben und das Maß war halt, wenn so eine Rolle voll war.
nk : So wie das Heft das Maß ist oder der Schuppen auch ein Maß ist.
ac : Und das Maß wähle ich eben nicht selber aus, sonder das ist gesetzt und es ist frei verfügbar. Das ist nebenbei die einzige Grundfeste, die ich bei allem immer hatte, also das durchzieht sich durch alles. Die Grundlage ist immer das Material, welches frei verfügbar ist. Auch relativ willkürlich, es gibt keine Prüfung, ob jetzt das Papier das Richtige ist, sondern, das ist das A5 Heft, das das A5 Heft ist, es ist kein Besonderes. Es ist nicht „in den Laden gegangen, geguckt, was ist das richtige Heft dafür“, sondern es ist das umgebende Material, was man im Eins-zu-eins-Weg findet. Das ist wirklich etwas, was alles durchzieht. Sobald das Material anfängt so einen Snobismus zu kriegen, höre ich eigentlich auf. Wenn ich was anderes mache, was nichts mit Kunst zu tun hat, also eine Tischdecke, dann gehe ich auch in andere Läden und gucke und dann suche ich ein Material aus. Aber für die Kunstproduktion ist es ganz entscheidend, dass das immer das profanste ist, ohne dass es sich selber als profan behaupten muss. Also es ist eben nicht so eine Pernice-Ästhetik: „Guck mal, wie arm ich bin, aber ich bin ja doch eine total edle Zusammenkunft von Materialien“, also nicht so „Posing“, sondern, ich meine das ernst.
nk : Und gleichzeitig trägst du ja viel Anzug und das könnte man ja als einen Widerspruch empfinden und von der Außenwahrnehmung her habe ich es auch als einen Widerspruch angesehen, weil ich es als Performance verstanden habe und dann ist ja der Anzug nicht das naheliegende Material.
ac : Na ja, das kommt darauf an in was für einem Kontext.
nk : Ja.
ac : Ich habe nur einen Anzug, der wirklich in einem Laden zu regulären Preisen gekauft ist und das ist mein Hochzeitsanzug. Ansonsten sind die Anzüge immer gebrauchte B-Sortierung-, Outlet-, Grabbeltisch-, Ebay-Zeugs. Die bildhafteste Strecke dafür ist, als ich angefangen habe im Unternehmen zu arbeiten. Damals gründete sich gerade das Mercado und dort gab es einen Laden, der hieß HOF, „House of Fashion“. House of Fashion war ein Laden – das ist jetzt so Alte-Leute-Gerede –, davor gab es in Hamburg einen Laden der hieß Prüter und Prüter war so ein Laden, der recht geschickt darin war, Versicherungsschäden aufzukaufen und die dann billig in einem Lager zu verkaufen. Wenn es irgendwo Brandschäden gab oder so, dann haben die halt diese Versicherungssummen der Versicherung abgekauft. Das heißt man kriegte da irgendwie alles, manchmal roch es ein bisschen streng, aber das war immer so ein installierter Flohmarkt und daraus ist dann so HOF entstanden, die dann mehr oder minder die Remittenden von C&A und so weiter verkauften. Die hatten immer zwei Ständer voll mit Anzügen für nichts. Mein Anzug, den ich damals fürs Unternehmen gekauft habe – das war ein dreiteiliger Anzug – der hat damals 30 Mark gekostet und so alt bin ich auch nicht, dass 30 Mark damals viel Geld gewesen wären, sondern es war genau so wenig, wie es sich heute anhört. Im Unternehmen war es dann toll, da wurde ich dann für diesen Anzug so gelobt und dann das war immer meine Waffe, dann habe ich gesagt: „Na ja, ich habe ja Kunst studiert, das heißt ich kann deinen Kleidungsstil affirmieren, aber nur 30 Mark dafür ausgeben. Mein Invest ist so klein und ich sehe genau so aus wie du! Also für dich völlig ununterscheidbar.“ Das fand ich irgendwie gut.
nk : In diesem Kontext ist es dann auch wieder genau die gleiche Logik. Also wo schon diese Entscheidung getroffen ist, in die Wirtschaft zu gehen, also in ein Unternehmen rein und jetzt ist eben die Frage, wie kommt man an das nötige Material dafür. Da ist dann der Anzug der Standard und da bist du dann wieder so vorgegangen, wie du auch das Heft gekauft hast. Es ist dann erst, wenn man dich von Außen auf der Bühne sieht und du dann dort auch Anzug trägst und das dich unterscheidet von den ganzen anderen Performern, die man sonst sieht in so einem Kontext, dass es dann so wirkt, wie eine weniger naheliegende Entscheidung.
ac : Ja, aber es kommt dann natürlich auch noch so eine andere Strecke dazu. Ich fand schon immer Uniformen gut, also diese Idee der Uniformiertheit. Das heißt ich habe mir in der fünften Klasse so eine Bundeswehruniform gekauft, dann bin ich mit einer Bundeswehruniform zur Schule gegangen und habe mir dann von meinem ersten Taschengeld eine Krawatte und so was gekauft. Da hatte ich auch so einen Mod-Einschlag. Das kam auch viel durch die Musik, also wo dann der Anzug ein relativ klares Zeichen war, für eine bestimmte Musikrichtung. Es gibt dieses schöne Pete Meaden Zitat: „clean living under difficult circumstances.“, da gehört mit Sicherheit auch ein Anzug dazu und das Affirmieren von bestimmten Strategien. Das hat ganz viel mit einer Sozialisation zu tun. Umgedreht ist es im Performativen natürlich so, dass dieser Anzug... Ich würde sagen, es gibt kaum ein größeres organisationales Bewusstsein für die performativen Qualitäten eines Kleidungsstückes, als für den Anzug. Zum Beispiel Berater, Vorstände, die ich kennengelernt habe, die haben zum Teil – dagegen ist das, was in der Performance-Kunst läuft Pillepalle –, also es gibt ganz viele Berater, die in schwierigen Situationen immer dreiteilige Anzüge anziehen, die davon reden, dass sie ihre „Rüstung“ anziehen, die dreiteilige Anzüge anziehen, weil sie wissen, dass wenn es zu heiß wird und sie ihr Sakko ausziehen, wie alle anderen, dass sie noch immer die Autorität des Kleidungsstücks haben, weil sie eine Weste anhaben. Da fühlte ich mich dann ja ganz weit vorne als ich Assistent vom Geschäftsführer von Eurospar war. Der musste da so einen Vertriebsvortrag halten. Da ging es richtig um die Wurst. Dann habe ich anschließend mit dem gesprochen. Das ist völlig normal, dass der damals vor dem Vertrieb – alles Leute, die Geschäft machen und denen will er so eine Einpeitschrede halten – dann natürlich einen Anzug trägt. Und während er emotional redet, zieht er sich das Sakko aus und während er das Sakko einfach über einen Stuhl wirft und weiterredet, krempelt er sich die Ärmel hoch und das macht er nicht, weil ihm so warm ist, sonder, weil, der meint das so: Wir sollen hier die Ärmel hochkrempeln! Und das transportiert sich. Also der Anzug, genau wie Krawatte und so, das ist so eine, vielleicht überkommene, aber bis in die 80er und 90er Jahre hinein reichende Idee von Organisation, die sagen wir mal die 150 Jahre Industriezeitalter geprägt hat. Wo es so etwas wie Blue Collar, White Collar, also diese Unterscheidung noch gibt, ist das eben nicht nur ein Anzug, sondern es ist das Spielfeld, in dem Ästhetik, Macht, Motivation, Umgang mit sich selber, Performativität immer schon da ist und das in einer Präzision und einer Genauigkeit, die dann immer feiner ziseliert wird, also je höher man kommt. Unten, bei Vertrieblern, funktionierte man noch mit Anzug und Jackett ausziehen und je höher man kommt desto filigraner wird es dann.
nk : Also die Distinktionsstrategien werden doch einfach nur verlagert, weil die Leute, die auf der Ebene sind, wo man dann die Schuhe und die chicen Einnahten und auf die richtigen Knöpfe dann achten, die wissen doch heute auch noch ganz genau, wann man doch wieder im Anzug kommt. Die Einpeitschrede wird dann vielleicht im Rollkragenpullover gemacht, aber zum Treffen mit den Partnern beim Dinner ist man doch wieder im Jackett.
ac : Ja, aber ich plädiere hier ja ganz stark dafür, dass man den Fokus auch aufmacht. Also wenn mir neulich auf der Straße, während ich mich extrem darüber aufrege, was für Autos durch die Welt fahren, mir so ein Rotfloristepigone anfängt, mit mir zu diskutieren und mir sagen will: „Das ist ja super, dass du so dagegen bist, das sieht man dir gar nicht an mit dem Anzug und so“, dann sagt mir das jemand, der eine 180€ North Face Jacke trägt, der ein 25€ oder 40€ Antifaschisten-T-Shirts trägt, der eine Kleidung hat, von der ich meine Kleidung ungefähr fünfmal bezahlen kann und der so beschäftigt ist, Distinktion in die Nicht-Distinktion reinzustecken und sich dann anmaßt zu glauben, das lesen zu können. Und das nur über das Bedienen alter Bilder, die ihm vielleicht mal seine Eltern erzählt haben, hat er ja gar nicht erlebt, er kennt ja gar keine Anzugträger, die diesen Mythos vom Tragen der Macht verkörpern. Er kennt das vielleicht aus dem Fernsehen. Ich finde das eben an diesem ganzen Performer-Quatsch total ärgerlich, dass man so tut, als gäbe es diese Freizeitkleidung. Nachdem sich keiner mehr auszieht, kommt dann jeder mal so dahin und dann finde ich es eben schon die Frage, wie geht man eigentlich damit um, was will man eigentlich, was zeigt man da eigentlich?
nk : Da ist man schon wieder an so einem, ich würde es mal Authentizitätsproblem nennen, weil in dieser Idee unmittelbar auf das verfügbare Material zuzugreifen, steckt so ein Authentizitätsversprechen. Das zweifle ich auch überhaupt nicht an, aber in der Kleidung wird es dann auf einmal schwierig, irgendwas funktioniert da nicht mehr, weil es immer schon Repräsentation ist. Vielleicht können wir noch mal an den Punkt zurückkommen: Ende der 90er Jahre, als du gesagt hast, die Kunst muss ins Management und damit „Du selbst musst ins Management“, was ist die Überlegung dahinter?
ac : Ich habe mein Abitur 1990 gemacht, das heißt, da gab es dieses Deutschland auf einmal wieder. So eine Weltordnung ist quasi neu definiert worden, durch so einen West-Ost-Konflikt und die ganzen Erosionen, die stattfanden. Im Rahmen dieser ganzen Euphorie fragte man sich natürlich auch immer nach Innovation und wie in diesem Ausnahmefall, wie dann Unternehmen und Gesellschaft damit umgehen können. In diesem Rahmen wuchs eigentlich immer mehr so eine mediale Präsenz des Begriffes „Kreativität“, der damals anfing noch mal so einen richtigen Frühling zu erleben, sodass man sagte, die verknöcherten Strukturen, die eben auf Ost gegen West basieren, und da wurde dann ja alles in Frage gestellt, es wurde behauptet jetzt, wo Ost gegen West vorbei ist, ist auch die Klassengesellschaft vorbei. Alles ist vorbei und wir müssen alles neu erfinden, neue Produkte und wir haben ein ganzes Land, alle müssen wir reich werden. In diesem Rahmen gab es immer mehr die Diskussion um Kreativität und Kreativitätstechniken. Vor allem auch diese Forderung, die ab Mitte der 90er anfing, wo die ersten Überschriften, damals noch so scherzhaft, z.B. im Managermagazin 1995 titelten „Manager müssen Künstler werden“. Dann der Organisationsdiskurs in Amerika, so um Mintzberg, Organizational Studies, die dann mit der Begrifflichkeit „Art“ noch etwas anderes meinten als „Kunst“. 1997 kam sein Buch raus mit dem Titel „Managers not MBAs“, also wir brauchen Manager und nicht Leute, die ihren MBA gemacht haben. Dann gibt es auch noch so eine Untersuchung „Künstler, Handwerker, Technokraten“, das ist so eine Organisationsempirie, die verschiedene Managertypen klassifiziert eben in „Künstler“, „Handwerker“ und „Technokraten“ und dann anhand eines Familienunternehmens definiert, was dann eigentlich die sinnvollste Kombination ist. Und das ein Unternehmen zugrunde geht, wenn es nur aus Technokraten besteht und dass die beste Mischung eigentlich Künstler und Handwerker sei. Also diese Diskussion hing eigentlich relativ stark in der Luft und ich hatte mich ja für Kunst entschieden, weil ich irgendwie dachte, das sei noch so eine Möglichkeit, das sei noch so eine gesellschaftliche Gestaltungsform. Ich dachte „Kunst“ eben immer mit diesem Geist der Moderne im Hinterkopf.
nk : Man fühlt sich schon zuständig für die Gesellschaft.
ac : Auf jeden Fall, und das nicht zu knapp. Ich habe vorher auch Parteipolitik gemacht und so viel politisch gehandelt und dann dachte ich, das mit der Sprache, das greift ja alles viel zu kurz und wir müssen nicht immer nur reden, sondern wirklich gestalten und ein Bild kann viel mehr. Wir müssen erstmal sichtbar machen und dann müssen wir die Welt gestalten. Es ist ja nun Quatsch, wenn alle immer sagen „Manager müssen Künstler werden“. Das eigentlich Naheliegende ist ja, wenn Künstler Manager werden. Es gibt auch viel mehr Künstler, die gar keine „Job Description“ anschließend haben, als BWLer. BWLer können ja als „Handwerker“ ausgebildet, sozusagen alles machen, aber Künstler haben ja leider kein Handwerk gelernt, sondern sind im Idealfall Universaldilettanten des Ästhetischen und denen das bisschen Handwerk beizubringen, kann ja nicht das Problem sein. Insofern war meine Forschungsfrage: „Das ist ja albern, wenn man das jetzt alles anguckt, dann müssen halt Künstler zu Managern werden“ und das war dann die Motivation. Darüber habe ich dann meinen Abschlussvortrag gehalten. Bei diesem Abschlussvortrag waren interessanterweise ein paar Leute vom Kunstkreis des BDIs anwesend, die damals dann nach dem Vortrag zu mir kamen und dann sagten: „Ja, das sei ja ganz toll und das sei ja so schön, wie Künstler eine andere Welt eröffnen und dieses Reich der Metaphern sei so großartig.“ Das hat mich ziemlich geärgert, weil das gar nicht als Metapher gemeint war. Es war eben keine Malerei, die nur Malerei sein will, sondern war Malerei, die Welt sein will und das hat mich dann noch mal anderes angetriggert und dann habe ich mich beworben und wollte das dann auch machen. Ich habe mir gesagt: „Ich studiere das jetzt fünf Jahre in der Praxis, so wie ich Kunst studiert habe“ und bin dann halt ins Unternehmen gegangen und das war sozusagen so eine Aneinanderreihung von Zufällen.
nk : Da sind wir dann wieder an dem Punkt, wo du dann auch den Anzug gekauft hast, deinen ersten. Kannst du auch noch mal diese glücklichen Zufälle zusammenfassen, also wie kommt es überhaupt dazu, dass so was funktioniert, dass man sich so etwas vornimmt und das dann auch klappt?
ac : Also der entscheidende Punkt, und das würde ich heute auch noch anders sehen, als ich das viele Jahre gesehen habe, ist glaube ich nicht die Kunst- oder Künstlerinnenfrage, sondern ein gewisses Handwerkszeugs, was man da mitbringt. Das Handwerkszeugs ist, Punkt eins: Bilder ernst zu nehmen, das ist was ziemlich wichtiges und Punkt zwei ist, dass man als Künstlerin, Künstler ja im Idealfall ein relativ klares Respektverhältnis hat. Man weiß, wer ist wichtig, wen man respektiert. Das ist selbst für die klassischsten Künstler und für die arrogantesten Ärsche klar, dass wenn sie mit dem Hausmeister Ärger haben, dass sie einfach mal genau so ihre künstlerische Tätigkeit vergessen können, wie wenn sie mit einem Sammler Ärger haben. Sie lernen also eine breite soziale Spreizung im Idealfall und lernen vielleicht auch Leute zu respektieren ohne Insignien der Macht. Dieses Konglomerat führt zu ganz Vielem. Das führt dazu, dass man eine Präsentation anguckt und dann stellt jemand seine Folien vor und man versteht nicht so richtig worum es dabei geht und dann befragt man halt das Bild, was man da sieht und dann stellt man fest, das Bild, das hat der gar nicht im Griff. Dann stellt man drei Fragen, wie im Museum, wenn man vorm Vermeer steht, stellt man drei Fragen zum Bildaufbau und entweder eine Welt eröffnet sich oder eine Welt implodiert. Bei solchen Präsentationen ist es halt häufiger, dass dann eine Welt implodiert und das andere das auch sehen, dass da was implodiert und dann ist man ganz schnell ein relativer Checker. Dann denken auf einmal auch alle man kokettiert damit, dass man keine Ahnung hat, aber man hat ja faktisch keine Ahnung. Kunst ist ja im Idealfall ein Erkenntnisinteresse und kein Karriereinteresse – ich weiß, das ist ein bisschen romantisch – und in einem Unternehmen ist der Regelbruch natürlich total, keinen Erfolg haben zu wollen. Also auf die Frage „Wollen Sie Karriere machen?“ ehrlich antworten zu können „Eigentlich nicht.“ ist super. Also das ist nicht super, weil man danach so schön dasteht, sondern weil man dann so auch einen Raum der Angstfreiheit um sich herum erzeugt. Leute reden und vertrauen einem, weil sie nicht das Gefühl haben, dass man deren Job haben will. Man wird auf einmal Vertrauter, weil einem niemand zutraut, dass man da so ein Messer in der Hand hat, weil man ja eigentlich etwas anderes will und das führt zu vielen guten Sachen. Und Kündigen, das ist sozusagen die höchste Qualität, das ist ja sowieso, weshalb es die Kunsthochschule im 21. Jahrhundert überhaupt noch gibt, weshalb sie auch staatlich so unterstützt werden und sich auch staatlich so wenig legitimieren müssen, ist natürlich, dass sie Menschen ausbilden, die der Meinung sind, sie seien nicht arbeitslos und sie könnten nie arbeitslos werden, also Menschen, die immer der Meinung sind sie hätten was zu tun.
nk : So eine Art existenzielle Selbständigkeit.
ac : Genau und was besseres zum Führen gibt es ja nicht als Leute, die sich schämen zum Arbeitsamt zu gehen, weil sie doch eigentlich nur in Projekten denken. Also eine selbstkontrolliertere Gruppe Mensch kann man sich ja gar nicht vorstellen, also Künstler, und das lernt man ja: Du bist für alles verantwortlich und „arbeitslos“ heißt eben, dass du keine Ideen hast.
nk : Wahrscheinlich hängt das auch zusammen mit dem Sich-Zuständig-Fühlen für die Gesellschaft.
ac : Ja und das Zuständig-Fühlen hat ja zwei Dimensionen. Es ist ja was ganz tolles, aber es ist natürlich auch wahnsinnig anmaßend zu glauben, man könnte das.
nk : Wenn man noch mal auf diesen existenziellen Entwurf zurückkommt, es gibt auch ein Interview, wo du The Big Lebowski zitierst und du sprichst vom Liegen auf dem Teppich und Walgesänge hören, das ist ja auch eine Form von Haltung oder Daseinsform, stehen die eigentlich in einem Widerspruch zueinander oder gehen die auch zusammen?
ac : Also es gibt ja sozusagen diese platonische Idee von der idealen Gesellschaft, in der kommt ja keine Kunst mehr vor. Ich glaube, dass in kaum einer Vorstellung, von einer idealen Welt, Kunst eine Rolle spielt, weil die braucht man dann ja nicht mehr. Also man kann ja noch Erfahrungen machen und man kann die Erfahrungen teilen, aber man muss diese Erfahrung ja nicht in eine große Sichtbarkeit führen, außer sie zu teilen. Also man muss sie nicht in ein „seht her, das könnte man machen“ überführen. Bei The Big Lebowski ist ja das Schöne: Er will halt Walfischgesänge hören und Bowling spielen und dann gibt es diesen schönen großartigen Satz in der deutschen Übersetzung „Eines Tages kamen so ein paar scheiß deutsche Nihilisten, die mir den Teppich weggenommen haben, den Teppich, auf dem ich so gerne gelegen und Walfischgesänge gehört habe.“ Ich glaube das ist der Punkt, also es kommen halt irgendwelche komischen Nihilismusvorstellungen, die es unkomfortabel machen und ab dem Moment muss man sich verhalten und ab dem Moment gibt es eine bestimmte Form sich zu verhalten und während man sich verhält gibt es auch die Notwendigkeit zu sagen: „Ich will mich nicht verhalten, ich will meine Welt neu erfinden“. Aber im Endeffekt, wenn man das nicht muss, ist es glaube ich gut, dann braucht es auch keine Kunst. Man kennt das vielleicht, so große Momente im Privaten, manchmal hat man das in Kleingartenvereinen oder so. Ich bin nämlich neulich durch einen Kleingartenverein gegangen, wo gerade ein Zaun herausgerissen wurde, also die Fundamente eines Zaunes und man hatte die auf den Rasen geworfen und das sah ziemlich gut aus. Das waren eigentlich ziemlich gute Skulpturen und das schöne daran war, das an diesem Nachmittag, der mit Grillen verbunden war, alles komplett kunstferne Menschen, also ein Großteil, den ich da gesehen habe, war noch nie im Museum oder sie würden da nicht freiwillig hingehen, die fingen an diese Dinger sinnloserweise auf der Rasenfläche anzuordnen, sie mal umzudrehen und immer neue Konstellationen zu bauen und letztendlich hättest du zwei von fünf Konstellationen davon nehmen können und sagen können: „Ok, da bauen wir jetzt einen weißen Raum rum und dann ist es fertig, ist es super“. Und da wird es dann ja ideal, da wird es so eine komische Praxis, die über Anordnung nachdenkt, die auf einmal den Gegenständen ihre Funktion nimmt und sie immer wieder so hinlegt, dass sie anders anschaubar sind. Sie können immer wieder was Neues werden. Auf einmal sind die nicht mehr einzeln, sondern sie sind gemeinsam, sie haben Nähen, Entfernungen, Höhen, Tiefen, Schwere – der Eine wirft, der Andere schiebt, der Andere ärgert sich, weil der Eine wieder eine wegnimmt, also das ist ja irgendwie ideal.
nk : Eigentlich ist es ja auch ein Zustand, in dem der Teppich da ist, der ist dann nicht weggenommen worden in der Situation. Sie sind auf ihrem Kleingartenfest und am Grillen und dann kommt es eben zu einer Situation mit ästhetischer Praxis und darum ist es dann auch nicht voneinander getrennt, wie vielleicht bei den Leuten, die in ihren Großraumbüros sitzen und bedauern, dass ihr Teppich weg ist, weshalb andere allerdings die Aufgabe haben, sich selbst existenziell als Künstler zu begreifen.
ac : Ja.
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Armin Chodzinski im Gespräch mit Nick Koppenhagen auf kunstgespraeche.com