Mist wegschaffen, Heu ranschaffen, ohne dass der Portier was merkt.

12-07-2017 / Cave

 

Fotocollage: Cage

 

Inzwischen waren wir mit der Galerie in ein mächtiges New Yorker Townhouse im Empire-Stil umgezogen. Die Ausstellungsräume befanden sich im ersten Stock und das Büro lag mit dem Fahrstuhl erreichbar auf Dachlevel der umgebenden Gebäude. Die Ausstellung von L. hatte vor Kurzem eröffnet und wir hatten erlaubt, sowohl Galerie als auch Büro in die Ausstellung einzubeziehen, es war ein Dschungel aus geflochtenen Papierarbeiten und Tonnen von Plastikverpackungsmaterial, beide Räume waren schwierig begehbar, als Besucher hatte man seine liebe Not, wieder zum Ausgang zurückzufinden. In der Lobby des Gebäudes, einer großen gekachelten Halle mit Teppichboden, gab es einen Toilettenraum, den ich regelmäßig benutzen musste, weil ich im Wirrwarr der eigenen Räume eher den Ausgang als die firmeneigenen Sanitärräume finden konnte. Zu meinem Kummer war die Toilette aber bewohnt, überall lag Stroh rum und sobald ich versuchte, den Schlafsack zu entfernen, der provokant auf oder vor dem Herrenklo platziert war, erschien jedes Mal ein blonder Hüne, der nicht meine Sprache sprach und mir klar zu verstehen gab, dass das sein Klo war. Alles Argumentieren half nichts, ich blieb auch mit dem Vorsatz, die Verwaltung zu verständigen, jedes Mal stecken. Es kam weder zum Wasserlassen noch zur Beschwerde. Das lag sicherlich zum einen daran, dass ich immer noch glaubte, das Problem irgendwie selber lösen zu können, aber zum anderen gab es ja noch andere Probleme, die zwingend eine Handlung meinerseits verlangten. Schließlich hatte ich diese Herde Mammuts mit ins Gebäude gebracht, die ich hinten im Büro hielt. Es waren vier ausgewachsene Tiere und ein Kalb. Regelmässig fuhr ich die Tiere einzeln mit dem Fahrstuhl auf das Dach, um ihnen eine kurze Frischluftkur zu verpassen. Ansonsten gestaltete sich der Galeriealltag aus Büroarbeit und dem Verteidigen der Büroräume gegen andere Künstler, die irgendwie immer wieder eine Möglichkeit fanden, über Nacht in die Räume zu gelangen ... wer zum Teufel hatte eigentlich zusätzliche Schlüssel an wen rausgegeben ... und der Stallarbeit: Mist wegschaffen, Heu ranschaffen, ohne dass der Portier was merken konnte. Ich fuhr also ständig mit Schubkarren voller Stallmist mit wirrem Blick zur Stockwerksanzeige Fahrstuhl, ständig in der Angst, irgendwelche Mieter der übrigen Wohn- und Geschäftseinheiten könnten einsteigen. Im Erdgeschoss musste ich dann jeweils kriechend am Pult des Portiers vorbei bzw. hoffen, dass er gerade Pause machte. Meine Besorgnis um die Tiere wuchs in einem Ausmaß, ich konnte mich gar nicht mehr richtig auf die Galeriearbeit konzentrieren. Ich wusste, sie würden aussterben, wenn ich nicht bald eine Lösung fände, irgendwo eine grüne Weide mit stabilen Zäunen. Einem herbeigerufenen befreundeten Veterinär, der behauptete, die Tiere wären viel zu gefährlich, um sie irgendwo hinzustellen, konnte ich zwar beweisen, dass die Tiere zahm wie Lämmer waren: Ich zeigte ihm alle möglichen Kunststücke mit meinem Lieblingsmammut, ließ mich mit dem Rüssel hochheben, legte mich unter sein Vorderbein etc., aber es gab anscheinend keine Lösung für das Weideproblem, also mein städtisches Problem, schließlich wollte ich meine Mammutfamilie nicht verlieren. So blieb mir am Ende nur, die Tiere einzeln, zusätzlich zur Frischluftfahrt auf das Dach, verkleidet in alberne Kostüme, so als wären sie Pappmachee-Figuren für den Karneval, mit der U-Bahn an den Stadtrand zu fahren und sie dort an einem der Kanäle für kurze Zeit grasen zu lassen ... an dieser Stelle brach der Traum ab, es lässt sich aber an den letzten Szenen schon feststellen, dass ich kaum mehr Zeit hatte, mich vernünftig der Galeriearbeit zu widmen, da ich aufgrund der notwendigen Pflege der Tiere mehr als den halben Tag mit ihnen zu tun hatte. Meine ständige Abwesenheit mit einem meiner Schützlinge beförderte außerdem den wilden Ateliergebrauch der Galerieräume durch die Künstler mit ihren Schlüsselkopien, das wiederum empfand ich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so sehr als Störung. Ich hatte mich vielmehr damit abgefunden, dass im Ausstellungsdschungel von L. überall kleine Lichtungen als Atelierplätze funktionierten und ich mit einem meiner Mammuts am Halfter auf dem Weg zum Fahrstuhl überall an krickelnden, matschenden, Perlen an Schnüren befestigenden, braun gebrannten, nur mit Tüchern bekleideten Gestalten vorbeikam.

 

Fotocollage: Cage